Scheidegg: Entschleunigen auf dem Kapellenweg
aus Scheidegg (Allgäu)
eingestellt am 30.03.2010 von Susanne Heiss
Die Luft ist klar und rein zwischen 800 und 1.000 Metern über dem Meeresspiegel. Von der Hochebene schweift der kilometerweite Blick auf malerische Gipfel im Süden. In Scheidegg genießen Gäste viele Annehmlichkeiten eines naturverbundenen Feriendomizils – mal sportlich aktiv, mal gleichmütig entspannt. Und auf jeden Fall gesund! Als heilklimatischer und Kneipp-Kurort darf sich Scheidegg gleich zwei Mal mit dem Prädikat „Premium-Class“ schmücken.
Ganz im Sinne Kneipps, der neben seinen Wasseranwendungen auch eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung postulierte, werden hier fernab lärmender Straßen Wanderungen für „Leib und Seele“ zum Entschleunigen angeboten. Dreizehn Kapellen laden auf mehreren Wanderwegen zum Besuch ein. Der große Kapellenweg mit rund 22 Kilometer Länge verbindet sie alle. Einige der einstigen Pilgerstätten sind zwischen 500 und 1.000 Jahre alt, wie die Anna- oder die Ulrichskapelle. Obendrein werden Wanderer mit immer wieder neuen Ausblicken auf die Bregenzer und Allgäuer Bergwelt belohnt.
Spannend und lehrreich zugleich ist der Marsch zu den Scheidegger Wasserfällen. Sie zählen zu den schönsten Geotopen Bayerns. Gleich zwei Bäche stürzen hier über mächtige Gesteinsmauern 22 und 18 Meter in die Tiefe. Der Blick ist fantastisch. 200 Stufen führen hinunter. Kinder können Staudämme bauen, ein Wasserrad bestaunen und im Wasserkarussel die Kraft des nassen Elements erleben.
Wer weiterwandert, wählt am besten die längere, zweistündige Tour. Unterwegs lädt der Moorsee zum Baden ein und der Reptilienzoo zum Besuch. Wenig schweißtreibend und daher beliebt bei Gästen ist „Radeln bergab“: Vom Hochplateau führt die wildromantische Strecke hinunter zum Bodensee, wo die Sonne mittlerweile die Nebelschwaden vertrieben hat. Zurück geht es mit dem Radl unterm Arm in der Kabinenbahn auf den 1.064 Meter hohen Pfänder und von dort wieder abwärts, zurück nach Scheidegg.
Noch jung und einmalig in Deutschland ist ein ganz besonderes Gesundheitsangebot. Restaurants, Gasthöfe und Hotels verwenden schon lange Zeit vorrangig heimische Produkte in ihrer Küche – vom berühmten Allgäuer Käse über Getreide bis zu Obst und Gemüse. Eine Tatsache, die als solches nicht außergewöhnlich ist. Doch aus dieser Philosophie heraus entwickelte sich ein Ferienort für Menschen mit Zöliakie. Ohne lange Erklärungen können Gäste, die sich glutenfrei, also ohne Klebereiweiß ernähren müssen, ihren Urlaub genießen: Hotels bieten Übernachtung mit glutenfreiem Halb- und Vollpension an, einige Restaurants verfügen über eine Glutenfrei-Speisekarte, ein Bäcker bäckt in einer separaten Backstube glutenfreie Backwaren und sogar im Supermarkt gibt’s entsprechende Lebensmittel.
Den berühmten Allgäuer Käse gibt’s in der Käserei im Ortsteil Böserscheidegg. Hier wird produziert und verkauft. Während der gelernte Käser am späten Nachmittag erklärt, wie die Löcher in seinen Bergkäse kommen, wird die Milch im Handkarren angeliefert. Noch am Abend wird die frische Kuhmilch „dickgelegt“, später in Form gebracht und in Salzlake gebadet. Bis zum Verzehr reifen die Käselaibe oft monatelang in den Regalen. Erst mit diesem Käse lassen sich die für die Region typischen Kässpätzle zubereiten – da sind sich die heimischen Köchen und Hausfrauen einig. Wer das Geheimnis dieser Allgäuer Spezialität lüften möchte, kann an einem Kässpätzlekurs teilnehmen, den die Kurverwaltung regelmäßig anbietet. Nach dem gemeinsamen Kochen kommen die Käs- und Krautspätzle in gemütlicher Runde auf den Tisch.
Mensch und Tier fühlen sich hier wohl. Braun gescheckte Kühe grasen friedlich. Katzen streunen über die Wiesen. Zwischen idyllischen Seen liegen verstreut Bauernhöfe. Viele der Landwirte betreiben nicht nur Landwirtschaft, sie bieten auch „Urlaub auf dem Bauernhof“ an. Neugierige dürfen gerne einen Blick in den Stall werfen. Besonders Kinder sind begeistert, wenn sie die Kälbchen streicheln dürfen. So mancher Bauer gesellt sich gerne dazu und holt, wenn es die Arbeit erlaubt, seinen „Bodenseediesel“ aus dem Keller und schenkt unbekümmert aus. Es ist richtig zu spüren: Abseits städtischer Betriebsamkeit bestimmen hier Ruhe und Gelassenheit den Tag, auch wenn dieser oft früh beginnt und spät endet.
