Hier ist die Flößer-Zunft zu Hause

aus Lenggries (Oberbayern)

eingestellt am 18.03.2010 von Judith Kunz

Die größten Flöße der Welt rauschen auch heute noch über die wilde Isar. Es ist ein Kraftakt. Und selbst den kernigsten Burschen steht schon nach kurzer Zeit der Schweiß auf der Stirn, wenn sie das Ruder fest im Griff haben. Die hölzernen Isar-Flöße sind schließlich die größten ihrer Art und als schwimmende Giganten schon seit Jahrhunderten auf dem Fluss unterwegs.

Seit 2009 darf sich Lenggries nun auch offiziell mit der Flößer-Zunft schmücken: Die größte Gemeinde im Tölzer Land wurde in den erlesenen Zirkel der acht offiziellen Flößer-Dörfer Europas aufgenommen.

Früher wurden auf den bis zu 18 Meter langen und sieben Meter breiten Baumstamm-Riesen von Lenggries aus feinstes Holz, Kalk und Steine nach München gebracht. Von dort aus gelangten die Rohstoffe über die Donau sogar in die große, weite Welt. „Damals gab es kein anderes Transportmittel, das so effektiv war“, sagt Mathias Mederle, Vorstand des Lenggrieser Flößervereins, der zu einem der ältesten Vereine Deutschlands zählt und erstmals 1694 in offiziellen Dokumenten auftaucht. Aktuell engagieren sich rund 430 Mitglieder fürs hemdsärmelige Handwerk, das der Region rund um Lenggries zu Wohlstand und Reichtum verhalf.

Das Lenggrieser Holz, das in den umliegenden Wäldern geschlagen und in den Sägewerken veredelt wurde, war lange ein besonders begehrtes Baumaterial, das seine Blütezeit Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte. „In dieser Zeit pendelten etwa 11.000 Flöße pro Jahr von Lenggries nach München“, sagt Mederle. Der Verein hat die Verdienste der Flößerei genau dokumentiert und pflegt ein weit in die Geschichte reichendes Archiv. Wer darin stöbert, erfährt zum Beispiel, dass der komplette Dachstuhl der Münchner Frauenkirche aus Lenggrieser Holz gefertigt wurde. 140 Flöße brachten hierfür insgesamt 2500 Baumstämme in die Metropole.

Mittlerweile sind es vor allem Passagiere, die sich auf die rustikalen Bänke hocken und an Bord der robusten Gefährte Bier und Brotzeit schmecken lassen. Damals wie heute ist die Bauweise gleich: Mächtige Fichtenstämme werden mit Drahtschlaufen an Querbalken befestigt. Zwei Ruderstangen vorne, eine hinten – fertig ist das knapp 22 Tonnen schwere Floß.

Maximal 60 Personen gleiten auf einem Einzigen über die Isar. Manchmal ist auch noch eine Blaskapelle an Bord, die sogar in turbulenten Passagen die Töne trifft. Absolute Highlights der Fahrt, die nach München je nach Wasserstand rund sechs Stunden dauert, sind die sieben Floßrutschen. Darunter die längste Europas, auf der die hölzernen Riesen über eine Strecke von 345 Metern fast 18 Meter in die Tiefe schießen. Dabei erreichen sie Geschwindigkeiten von bis zu 40 Stundenkilometern.

Wer selbst mal an Bord gehen und das einzigartige Floßfahrt-Feeling erleben möchte, hat hierzu ab ca. 70 Euro pro Person Gelegenheit. Die Ausflüge werden bis Mitte September angeboten und starten im nahe gelegenen Wolfratshausen.

Katalog Lenggries
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