Wallfahrten und Pilgern in Benediktbeuern
aus Benediktbeuern (Oberbayern)
eingestellt am 30.12.2009 von Sabine Rauscher
Benediktbeuern blickt mit dem um 725 gegründeten, 739 geweihten und somit ältesten Kloster Oberbayerns auf eine lange Pilger- und Wallfahrtstradition zurück. Verehrt werden der Hl. Benedikt, die Hl. Anastasia und der Hl. Leonhard, aber auch der Jakobsweg ist in Benediktbeuern von Bedeutung.
Wallfahrten sind seit jeher ein wichtiger Bestandteil des christlichen Lebens. Stand früher das Bitten und Danken sowie die Verehrung von Heiligen im Vordergrund, so gewinnen in unserer Zeit noch andere Beweggründe wie neue kulturelle Erfahrungen, Ausbrechen aus dem Alltagsstress, Sehnsucht nach dem Einfachen oder Abschied nehmen an Wichtigkeit. Nicht nur die Ankunft am Wallfahrtsort, sondern viel mehr der ganze Weg dorthin ist ein Ziel.
Der Hl. Benedikt von Nursia gilt als Vater des abendländischen Mönchtums und als Patron Europas. Er begründete den Benediktinerorden, der nach seinem berühmten Wahlspruch „ora et labora“, also „bete und arbeite“ wirkt. Benediktbeuern ist nach Montecassino und St.-Benoit-sur-Loire der drittwichtigste Benedikt-Wallfahrtsort weltweit. Grund hierfür ist die hochgeschätzte Armreliquie des Heiligen, die Karl der Große dem Kloster kurz vor dem Jahr 800 geschenkt hat. Aus dem Kloster Buron wurde danach „Benedictoburanum“. 1973 erhob Papst Paul VI. die ehemalige Klosterkirche und jetzige Pfarrkirche St. Benedikt zur päpstlichen „Basilica minor“ und empfahl sie somit nachdrücklich als Wallfahrtsort zum Hl. Benedikt. Seit der Wahl Joseph Ratzingers zum Papst ist der Name Benedikt in aller Munde, und Benediktbeuern trägt übrigens als einzige Gemeinde Deutschlands den Namen des Papstes. Papst Benedikt XVI. kennt den Ort in seiner bayerischen Heimat, die er gerne als „terra benedicta“ bezeichnet, persönlich. Er stattete dem Kloster 1981 einen Besuch ab. Für die Wallfahrtsgruppen, die das Kloster und die 1681-1686 im Hochbarock erbaute Basilika mit dem Hauptaltarbild des Hl. Benedikt besuchen, ist der feierliche Schlusssegen der Pilgermesse oder Andacht mit der in Silber gefassten Benediktusreliquie ein immer in Erinnerung bleibender Moment.
An der Nordostecke der Basilika befindet sich die 1751-1753 errichtete Anastasiakapelle, die als einzigartiges Rokokojuwel gilt. Sie ist der Hl. Anastasia gewidmet – einer Märtyrerin, die in der Christenverfolgung 305 unter Kaiser Diokletian ums Leben kam und bei der vor allem Menschen mit Kopf- und Nervenleiden Hilfe suchen. 1053 kamen Reliquien von ihr, insbesondere die Kopfschale, von S. Maria in Organo bei Verona nach Benediktbeuern. Das Altarbild der Kapelle zeigt sie als Fürbitterin für die Erkrankten. Während des Spanischen Erbfolgekrieges schrieb man ihrer Gebete die Rettung des Klosters und der umliegenden Dörfer aus höchster Kriegsgefahr, das sog. Kochelseewunder von 1704, zu. Seither gilt sie als Schutzpatronin des Klosters und seines Umlandes. Die Reliquien werden in einer edlen Silberbüste aufbewahrt. Am ersten Weihnachtsfeiertag und am Pfingstmontag findet eine feierliche Andacht statt, an der den Gläubigen die Reliquie „aufgesetzt“ wird. Auch bei der Fronleichnamsprozession tragen die Antlaßschützen das Silberhaupt mit.
Das Katholische Pfarramt St. Benedikt hilft bei der Organisation von Wallfahrtsgottesdiensten oder -andachten für Gruppen zum Hl. Benedikt und zur Hl. Anastasia. Zusätzlich wird eine kurze Führung durch die Basilika oder alternativ auch eine ausführliche Klosterführung angeboten.
An der Nordseite der Basilika steht seit dem späten 17. Jahrhundert eine barocke Leonhardisäule, die Abt Placidus Mayr als Wallfahrtsziel errichten ließ. Sie zählt zu den bedeutendsten Leonhardidenkmälern im bayerischen Oberland und gleicht in ihrem Aufbau der Münchener Mariensäule. Die traditionelle Leonhardifahrt in Benediktbeuern ist eine der bedeutendsten Wallfahrten zu Ehren des Heiligen Leonhard. An dem Sonntag, der dem 6. November – also dem Patronatstag dieses Schutzpatrons der landwirtschaftlichen Tiere – am nächsten liegt, fahren um 9.00 Uhr etwa 55 meist vierspännige Pferdegespanne umrahmt von zahlreichen Reitern von der Dorfstraße in den Innenhof des Klosters Benediktbeuern. Die etwa 250 Pferde und die zahlreichen Wallfahrer erhalten dort den Segen. Anschließend wird um 10.00 Uhr in der Basilika ein feierlicher Wallfahrtsgottesdienst zelebriert. Die Rückfahrt der festlich geschmückten Wagen erfolgt über den Ortsteil Pechlern zum Dorfplatz. Neben den Frauen in traditionellen Trachten nehmen noch mehrere Motivwagen sowie Schützenkompanien und Musikkapellen teil. Den Abschluss bildet das Goaßlschnalzen, also das althergebrachte Peitschenknallen der Fuhrleute. Feierlicher Ausklang des Festtages ist der Leonharditanz im Gasthof zur Post.
Ursprünglich stand das Kloster Benediktbeuern unter dem Patrozinium des Hl. Jakobus. Erst nach der Schenkung der Reliquie durch Karl dem Großen wandelte sich das Patronat zugunsten des Hl. Benedikt. Bereits seit vielen Jahrhunderten folgen immer wieder Pilger dem Lauf von Isar und Loisach in Richtung Süden mit dem großen Ziel Santiago de Compostela. Die ständig wachsende Zahl der Jakobuspilger führt nun zum Wiederaufleben des Jakobswegs Isar-Loisach-Leutascher Ache-Inn, an dem auch Benediktbeuern liegt. Durch viele spirituelle und kulturelle Sehenswürdigkeiten, passende Unterkunfts- und Gastronomieangebote, optimale Wegebeschilderung und gut aufbereitetes Informations- und Kartenmaterial hofft man auf zahlreiche weitere Jakobuspilger.
Doch nicht nur der Jakobsweg lockt Pilger nach Benediktbeuern: auch der Prälatenweg von Kochel am See nach Marktoberdorf und einer der ältesten und bedeutendsten Pilgerwege überhaupt, nämlich von München nach Rom zu den Apostelgräbern von Petrus und Paulus und natürlich zum bayerischen Papst Benedikt XVI. führen durch das Klosterdorf.
